Analyseblatt für den B-Teil

Gerade wenn der B-Teil zu komplex zu werden droht, empfiehlt es sich ein Analyseblatt inklusive „Merkmalstabelle“ zu erstellen. In diesem Beitrag gehe ich genauer auf dieses Analyseblatt ein.

Wenn Du mittels der hier geschilderten Methode die Patentanmeldung im B-Teil so markiert hast, dass alle Teile farbig markiert sind, die von einer der beiden Entgegenhaltungen vorweg genommen werden, solltest Du eigentlich die Merkmale relativ gut sehen, die noch nicht SdT sind und sich demnach für die Konstruktion neuer Ansprüche eignen.

Doch manchmal sind die Merkmale so verstreut oder so zahlreich, als dass man die neue und erfinderische Kombination nicht sofort erkennen kann. Hier hilft mein detaillierteres Analyseblatt, welches ich hier kurz vorstellen will.

Die erste Seite meines Analyseblatts fragt wichtige Hinweise ab, die Du in jedem Fall ausfüllen solltest, nämlich:

  • Wichtige Wünsche des Mandanten
  • Wichtige Hinweise des Prüfers
  • Wichtige Hinweise im Patent
  • Sind D1 und D2 kombinierbar

Die folgende Tabelle ist nun die, die Du bei komplizierten Fällen nutzen kannst, um besser SdT zu identifizieren, der für einen Schutz geeignet ist.

Doch Vorsicht: Diese Methode benötigt Zeit und sollte nur eingesetzt werden, wenn Du anders nicht weiter kommst (außerdem solltest Du diese Methode vorher gut üben, damit Du so wenig Zeit wie möglich verlierst).

Das Hauptproblem bei komplexen  Merkmalskombinationen ist es sicherzustellen, dass man wie bei einer Zwiebelschale richtig vom allgemeinen Oberbegriff zu immer spezielleren Begriffen geht. In der Regel ist der Oberbegriff und ein Teil der Zwischenbegriffe schon vom Stand der Technik (also einer der beiden Dokumente) offenbart, meist bleiben aber einige spezielle Begriffe, Begriffsfamilien bzw. konkrete Werte oder Wertbereiche übrig, die man dann in den neuen Ansprüchen verwenden kann.

Ein einfaches Beispiel um zu erläutern was ich meine…

Anspruch 1 der Patentanmeldung soll in der Ausgangsform lauten:

„[…] und ein Lösungsmittel, welches ein Alkohol ist.“

Im Text der Patentanmeldung findest Du folgende Aussagen:

  • Das Lösungsmittel kann ein Alkohol sein.“
  • „Der Alkohol sollte ein mehrwertiger Alkohol sein.“
  • „Der Alkohol ist bevorzugt ein zweiwertiger oder dreiwertiger Alkohol.“
  • „Ein besonders bevorzugter zweiwertiger Alkohol ist Ethan-1,2-diol (Trivialname Ethylenglycol), ein besonders bevorzugter dreiwertiger Alkohol ist Propan-1,2,3-triol (Trivialname Glycerol oder Glycerin).“
  • „Bei der Verwendung von Propan-1,2,3-triol löst sich der Wirkstoff überraschender Weise 100mal besser auf, was die Menge an benötigtem Lösungsmittel deutlich verringert.“

Nun nehmen wir weiter an „einwertige Alkohole als Lösungsmittel“ und „einwertige Alkohole, z.B. Ethanol“ seien in D1 offenbart. Das Merkmal „ein zweiwertiger Alkohol als Lösungsmittel“ sei wiederum schon in D2 offenbart.

Was bedeutet das für unseren Anspruch?

Die Begrenzung des Anspruchs auf „wobei der Alkohol ein mehrwertiger Alkohole ist“ wäre zu breit, da D2 mit seiner speziellen Offenbarung eines zweiwertigen Alkohols auch mehrwertige Alkohole schon vorweg nimmt.

Man könnte allerdings den Anspruch immer noch auf „Ethan-1,2-diol“ einschränken, da diese spezielle Verbindung nirgendwo offenbart ist.

Ebenfalls lohnend erscheint eine Beschränkung auf „dreiwertige Alkohole insbesondere Propan-1,2,3-triol“, da diese auch noch mit einem überraschenden technischen Effekt verbunden sind.

Um nun beide Merkmale zu schützen, könnte der Anspruch also im Idealfall wie folgt lauten: „[…] und ein Lösungsmittel, welches ein mehrwertiger Alkohol ist, wobei der mehrwertige Alkohol ausgewählt ist aus der Gruppe Ethan-1,2-diol und einem dreiwertigen Alkohol.“

In einem Unteranspruch definieren wir dann „… wobei der dreiwertige Alkohol Propan-1,2,3-triol ist.“

Was haben wir in diesem stark vereinfachten Beispiel also gemacht:

1. Wir haben identifiziert, welche Merkmale von Allgemein zu Speziell für „Lösungsmittel“ in der Patentanmeldung zu finden sind.

Das Lösungsmittel kann ein Alkohol sein. Der Alkohol kann ein einwertiger oder mehrwertiger Alkohol sein. Der mehrwertige Alkohol kann ein zwei- oder dreiwertiger Alkohol sein. Konkretes Beispiel für einen zweiwertigen Alkohole ist Ethan-1,2-diol, konkretes Beispiel für einen dreiwertigen Alkohol ist Propan-1,2,3-triol.

2. Wir haben außerdem identifiziert, welche Merkmale durch welche Druckschrift schon vorweg genommen worden sind.

3. Dann haben wir uns die „übriggebliebenen“ Merkmale angesehen und so das allgemeinste Merkmal identifiziert, dass noch nich vorweg genommen ist: Bei den zweiwertigen Alkoholen ist das nur „Ethan-1,2-diol“, bei den dreiwertigen Alkoholen ist es der Sammelbegriff „dreiwertige Alkohole„..

4. Nun haben wir uns den spezifischsten Oberbegriff gesucht, der die beiden „Merkmalsgruppen“ [Ethan-1,2-diol] und [dreiwertige Alkohole] einheitlich mit einem Begriff zusammenfasst. Dieser Oberbegriff muss selbst nicht neu sein. Im vorliegenden Beispiel war das „mehrwertige Alkohole“.

5. Nun prüfen wir, ob wir mit Verwendung dieses Oberbegriffs und der Beschränkung innerhalb dieses Oberbegriffs auf die jeweiligen „Merkmalsgruppen“ [Ethan-1,2-diol] und [dreiwertige Alkohole] einen Anspruchssatz entwerfen können, der neu, erfinderisch und einheitlich ist.

Wenn ja, dann haben wir die Beschränkung gefunden, die maximalen Schutz im Lichte der D1 und D2 gewährt.

Wenn dann im Text auch kein ungewöhnlicher Hinweis steht (wie z.B.  „Ethan-1,2-diol ist sehr kostspielig“ oder „Ethan-1,2-diol funktioniert nur sehr schlecht“) kann man davon ausgehen, dass dies die Beschränkung ist, die auch von der Prüfungsabteilung erwünscht war.

Man erkennt schon an diesem einfachen Beispiel, dass das Auffinden der richtigen Oberbegriffe und Beschränkungen schwieriger wird, wenn wir es mit zahlreichen Merkmalen zu tun haben.

Und hier kommt die Analysetabelle ins Spiel.

Im Grunde machen wir hier nichts anderes als zuvor, aber durch die tabellarische Gestaltung wird es übersichtlicher.

Wir gehen wir folgt vor: Auch in die Tabelle tragen wir alle Merkmale ein, angefangen mit dem allgemeinsten Merkmal ganz links, bis zum speziellen Merkmal ganz rechts.

In unserem Beispiel sieht das so aus:

© Nico Riffel 2014

© Nico Riffel 2014

 

 

 

Nun markieren wir jedes Merkmal farblich mit unserem Farbcode: Also Orange für Merkmale, die schon in D1 stehen, Pink für Merkmale, die schon in D2 stehen und Grün für noch nicht offenbarte Merkmale:

© Nico Riffel 2014

© Nico Riffel 2014

 

 

 

 

Wer will kann hier auch noch zusätzliche Bemerkungen zu dem besonderen technischen Effekt eintragen, der bei dreiwertigen Alkoholen beobachtet wurde.

Nun suchen wir uns den speziellsten Oberbegriff, der alle grünen Begriffe einheitlich beschreibt, hier „mehrwertige Alkohole“.

Und voilà: Man sieht (mit etwas Übung) auf einen Blick welchen Oberbegriff mit welchen Beschränkungen man für die Merkmalsgruppe „Lösungsmittel“ verwenden muss.

So exerziert man das für alle Merkmale durch, z.B. Bindemittel, Vernetzungsmittel, Farbe, etc. und erhält dann am Ende eine gute Sammlung von beschränkenden Merkmalen, die man in seine Ansprüche aufnehmen muss, um diese neu und (wahrscheinlich) auch erfinderisch zu machen.

Am Ende kann man dann relativ einfach die Merkmale abhaken, die man in seinen Ansprüchen alle abgedeckt hat und so ausschließen, dass eine wichtige Merkmalsgruppe übersehen wird.

Vergiss hierbei jedoch nicht auch auf „ungewöhnliche Hinweise“ (blaue Markierungen und Hinweise auf dem Analyseblatt) zu achten. Diese verraten z.B. ob man ein Merkmal, welches eigentlich nicht durch die Druckschriften vorweg genommen worden ist, aus einem anderen Grund doch nicht verwenden sollte (z.B. mangelnde Ausführbarkeit, wirtschaftlich uninteressant, etc.).

Hier findest Du die Analysetabelle als PDF zu Deiner Verwendung:

Merkmalsanalyse_für_B-Teil

 

 

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